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Naturkosmetik auf Tisch ausgebreitet - Beitragsbild von Lexware Tell Your Story

„Diversität ist Kopfsache!”

Lockenköpfe glücklich machen! Das ist der Traum von Jen Martens. Die Hamburgerin hat das erste feste Shampoo für Locken und Afrohaare auf den deutschsprachigen Markt gebracht. Der Weg zur Gründung ihres nachhaltigen Labels „ŌMAKA Naturkosmetik“ war allerdings lang und voller Hindernisse.

Portrait von Jen Martens - Beitragsbild von Lexware Tell Your Story

Jen, wie würdest du dich und deine Geschäftsidee in einem Satz beschreiben?

Jen: Ich bin eine Schwarze Mutter mit afrikanischen Wurzeln und habe das erste nachhaltige feste Shampoo für Locken und Afrohaare auf den deutschsprachigen Markt gebracht.

War die Reise dorthin so einfach, wie es sich jetzt anhört?

Jen: Nein, ganz im Gegenteil! Wie viele andere Schwarze Mädchen meiner Generation habe ich als Kind meine Haare mit chemischen Mitteln geglättet. Afrohaare galten als ungepflegt und nicht schön. Ich habe mich geschämt und meine Locken versteckt, um mich dem westlichen Schönheitsideal anzupassen. Doch meine Haare dankten es mir nicht: Sie trockneten aus und brachen. Ich wusste nicht, wie ich mich richtig um meine eigenen Haare kümmern kann. Ich war völlig überfordert.

 Jen Mertens sitzt auf einem Stuhl
Was ich brauchte, gab es nicht. Also habe ich es selbst gemacht.
Jen Martens

Wann hat sich das geändert – und warum?  

Jen: Unser Haar ist unsere Identität. Lockiges Haar und Afrohaar ist nicht wirr, störrisch oder kompliziert. Es ist schön und benötigt eine andere Zuwendung als glattes Haar. Aber erst 2011 begann ich, mich mit meinen eigenen Haaren auseinanderzusetzen. Ich wollte herausfinden, wer ich eigentlich bin und wie ich mit meinen Naturlocken und Afrohaaren aussehe. Deshalb habe ich nach Produkten gesucht, die speziell für meine Haare geeignet sind und meine Reise in einem Blog dokumentiert.

Dann hast du festgestellt, dass es vielen anderen genauso geht?  

Jen: Genau. Ich wurde auf das Hair-Movement in Frankreich, England und den USA aufmerksam. Plötzlich sah ich so viele Menschen, die stolz ihre Afrohaare tragen und sich selbstbewusst zeigen. Ich habe mich gefragt, warum diese Haare früher oft als nicht schön galten, wenn sie doch so einzigartig und wunderschön sind. Aber spezielle Haarpflegeprodukte waren in Deutschland praktisch nicht aufzutreiben. Was ich brauchte, gab es nicht. Also habe ich es selbst gemacht.

Daheim am Küchentisch?  

Jen: Ja! Ich erinnerte mich daran, wie meine Oma aus Ghana viele Stunden damit verbrachte, aufwändige Rezepturen zur Pflege von Haut und Haar herzustellen. Im Prinzip ging ich nur zurück zu meinen Wurzeln. In Hamburg bin ich geboren, aber meine Wurzeln liegen in Ghana.  

Was bedeutet ŌMAKA?  

Jen: Das Wort kommt aus dem Hawaiianischen und bedeutet „Neuanfang“. In ŌMAKA steckt auch das Wort OMA. Damit ist ŌMAKA für mich eine Hommage an meine Familiengeschichte. In jedem Produkt steckt ein Hauch von Afrika. Ich habe begonnen, meine eigenen Haarpflegeprodukte herzustellen, weil ich nichts fand, das meinen Ansprüchen gerecht wurde. Mein Ziel war: Jeder Mensch mit Locken soll sich schön fühlen und passende Produkte für seine Haare finden. Und es sollte nachhaltig sein, möglichst ressourcenschonend und nicht noch zusätzlichen Müll produzieren.

Zum Glück habe ich nicht auf die Skeptiker:innen gehört.

Und daraus entstand die Idee, das erste feste Shampoo für Locken und Afrohaare in der DACH-Region zu entwickeln und ein eigenes Label zu gründen?  

Jen: Ja, aber es war immer noch ein weiter Weg: Ich testete Muster in meinem Freundeskreis und sie kamen gut an. Aber ich fand niemanden, der meine Produkte herstellen wollte. „Das geht nicht. Das ist nicht profitabel. Das will keiner.“ Diese Rückmeldung bekam ich oft, aber zum Glück habe ich nicht auf die Skeptiker:innen gehört.

Natürlich hatte ich selbst auch Zweifel an meiner Idee: Wie gründe ich meine eigene Marke? Gibt es wirklich einen Bedarf für mein Produkt? Wie gründe ich meine eigene Naturkosmetik-Marke? Schaffe ich es als Mama mit einem Baby und einem Kleinkind? So viele Fragen schwirrten in meinem Kopf umher, aber ich habe fest daran geglaubt, dass ich meinen Traum wahr machen kann. Denn ich wusste: Der beste Ansatz für ein neues Produkt ist immer noch der eigene Bedarf.

2019 hast du eine Firma gefunden, die dein Produkt herstellt.

Jen: Und das war der Durchbruch! Die Firma sagte: Wir glauben an deine Idee. 2020 habe ich das erste Shampoo verkauft – und dann kam Corona. Das war ein ziemlicher Dämpfer und ich dachte: Jetzt kann ich gleich wieder einpacken. Aber dann haben die Leute plötzlich viel mehr online bestellt. Diese Entwicklung hat mein Geschäft dann richtig vorangebracht. Nach einem halben Jahr war ŌMAKA schon bei einer großen Drogeriekette online gelistet.

Und heute?

Jen: Läuft es immer besser. Ich mache zwar nach wie vor alles selbst, aber beschäftige inzwischen zwei Packfeen, die mir beim Packen und Versenden helfen. Ich will, dass ŌMAKA organisch und solide wächst. Vor allem mit einem Baby und einem kleinen Kind war mir das wichtig. Ich bootstrappe alles. Das heißt, ich finanziere alles selbst. Es ist mir wichtig, dass meine Produkte in Deutschland hergestellt werden und umweltfreundlich sind, damit wir nicht alles aus Amerika importieren müssen. Online läuft es gut, und jetzt will ich mich im Einzelhandel etablieren, um meine Produkte noch zugänglicher zu machen.

Es sind oft Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen. Ich habe jahrelang in Deutschland nach einem Pflaster gesucht, das zu meiner Hautfarbe passt.

Ist das Bewusstsein für Diversität im Mainstream angekommen?  

Jen: Ich denke schon. Langsam, aber es wird Schritt für Schritt besser. Jeder spricht davon. Aber ich wünsche mir, dass Themen wie Diversität und Rassismus in Schulen und Unis gelehrt werden.

Die Werbung ist inzwischen viel diverser als noch vor zehn Jahren.

Jen: Da stimme ich dir zu. Diversität bedeutet aber nicht nur, dass man auf Plakaten mehr Schwarze Menschen abbildet. Es geht auch darum, zu berücksichtigen, welche Bedürfnisse die Menschen haben. Das ist spürbare Sichtbarkeit. Es sind oft Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen. Ich habe jahrelang in Deutschland nach einem Pflaster gesucht, das zu meiner Hautfarbe passt.  

Oder eben Haarpflegeprodukte . . .  

Jen: Genau! Warum gab es Shampoos für Afrolocken jahrelang nur in Afroshops und nicht in jedem Supermarkt? Damals hat mich gestört, dass es keine Produkte in Supermärkten oder Drogeriemärkten gab, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Locken abgestimmt sind. Inzwischen ändert sich das. Das ist gut so. Ich möchte mit ŌMAKA dazu beitragen, dass sich alle Menschen mit Locken sowie Afrohaaren mehr gesehen, gehört und in ihren Bedürfnissen berücksichtigt fühlen.

Welche Erfahrungen hast Du beim Gründen gemacht?  

Jen: Gründen ist schön, aber wer sagt, es ist einfach, lügt. (lacht) Man braucht einfach ein Netzwerk von Mitgründern, hilfreiche Tools und Menschen, die an einen glauben und Durchhaltevermögen haben. Ich denke, auch hier sollte mehr Diversität erreicht werden. Es sollte ganz normal sein, dass jede Person die Möglichkeit hat, sich selbstständig zu machen. Und das ohne die Sorge, dass ihr Hintergrund ein Hindernis darstellen könnte! Jede Person sollte die gleiche Chance bekommen, ihre Träume zu verwirklichen, unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe.

Hattest Du Nachteile aufgrund Deines Migrationshintergrundes?

Jen: Das ist oft schwer greifbar. Wenn ein Bio-Deutscher den Schritt in die Selbstständigkeit wagt, ist es sicher einfacher als für jemanden wie mich mit Migrationshintergrund. Ich hatte oft das Gefühl, ich müsste meine Sprache perfektionieren und ganz besonders auf mein Äußeres achten. Im Einzelhandel musste ich mir ziemlich oft anhören, dass ich meine Produkte doch in Shops anbieten solle, die Produkte für Menschen mit afrikanischen Wurzeln anbieten.

Früher hatte ich oft das Gefühl, ich spreche für einen ganzen Kontinent und nicht nur für mich selbst. Deshalb will ich ein Vorbild sein und zeigen, dass es möglich ist.

Ist das immer noch so?

Jen: Wenn ich auf Geschäftsinhaber:innen zugehe, schicke ich meist noch immer meinen weißen Mann vor, um ŌMAKA vorzustellen, weil ich weiß, dass ich dann bessere Chancen habe, um einen Termin für ein Gespräch zu bekommen. Es war früher außerdem oft so, dass ich das Gefühl hatte, ich spreche für einen ganzen Kontinent und nicht nur für mich selbst. Deshalb will ich ein Vorbild sein und zeigen, dass es möglich ist.

Deine Botschaft?

Jen: Für mich ist Leidenschaft und Vertrauen in meine Idee das Wichtigste. Wenn du wirklich daran glaubst, dass du eine Zielgruppe findest, dann würde ich sagen: Probiere es aus! Wenn du zögerst, gleich ins kalte Wasser zu springen, dann wäre mein Rat: Gründe lieber neben deinem Hauptberuf. Wenn du hinfällst, rücke deine Krone zurecht, stehe wieder auf und suche dir einen anderen Weg. Denk an die Pausen. Gönn sie dir. Bitte um Hilfe, wenn du sie brauchst. Und eines musst du immer mitbringen: Du musst bereit sein, für deine Idee zu kämpfen und lernen, Rückschläge zu verkraften.

Mehr zu Jens Mission unter: www.omaka.de

© Foto Credits: Steve Thomas Photography; Florian Birch

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