Verborgen in einem eintönigen Gewerbepark außerhalb der Stadtgrenzen Stuttgarts schützt Korntex mit seinen Warnwesten Mensch und Tier davor, übersehen zu werden. Wie kam es zu dieser Geschäftsidee und welche Vorteile hat Unternehmertum in der Nische? Darüber spricht Korntex-Gründer Alexander Jurack.
95 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Kleinst- oder Kleinunternehmen, die mit ihrer Kreativität, ihrem Fleiß und ihrer Innovationskraft maßgeblich für unsere Gesellschaft sind. Egal, wie nachhaltig sie arbeiten oder wie viel Raffinesse in ihren Produkten steckt, zu oft teilen sie dasselbe Schicksal: Sie werden unterschätzt und sind unsichtbar im Vergleich zu den Großkonzernen in ihrer Umgebung.
Der Warnschutzkleidungshersteller Korntex aus Stuttgart-Fellbach ist einer dieser kleinen „Hidden Champions“. 2007 gründet Alexander Jurack Korntex und entwickelt den Betrieb zu einem der großen Player in der Nische der Warnwesten: „Ich bin schon zum Ende meiner Schulzeit mit einer Druckerei für Textilveredelung gestartet. Da habe ich T-Shirts, Jacken und vieles mehr bedruckt. Warnwesten waren da noch kein großes Thema für mich.“
Das kommt später: Mit 18 Jahren erlebt Alexander einen Motorradunfall: „Vor mir zog eine Autofahrerin auf eine Kreuzung raus, sah mich zu spät und blieb vor Schreck stehen. Daraufhin katapultierte es mich über ihre Motorhaube auf die Fahrbahn. Ich flog einige Meter, aber abgesehen von einer Gehirnerschütterung und ein paar Prellungen hatte ich zum Glück nichts. Ich war zwei Tage im Krankenhaus, danach wieder in der Schule – und wusste: Nicht die Geschwindigkeit war das Problem, sondern die mangelnde Sichtbarkeit.“
Angetrieben davon, im Straßenverkehr sichtbar zu sein, beschäftigt sich Alexander intensiver mit Warnwesten und erkennt schnell: In dieser Nische ist Potenzial, denn abseits der Standardwesten existiert kaum Innovation und Individualisierung. „Hier Neues zu erschaffen und innovativ zu denken, das hat mich von Anfang an gereizt“, erklärt der Gründer. Er beginnt sein Studium in Heidelberg und investiert seine Freizeit in die Weiterentwicklung seiner Firma. Noch während er Vorlesungen besucht, kann er zwei Mitarbeiter einstellen, die sich um den Druck der Warnwesten kümmern.
Hier Neues zu erschaffen und innovativ zu denken, das hat mich von Anfang an gereizt. – Alexander Jurack
„Das war eine harte Zeit mit sehr, sehr wenig Schlaf. Ich musste morgens um 4:30 Uhr aufstehen, habe dann in meiner Halle in Korntal die Produktion vorbereitet, meine Mitarbeiter eingewiesen und bin danach in den Zug nach Heidelberg zur Uni. Nach den Vorlesungen wieder zurück zur Produktion und bis nachts gearbeitet. Aber es ging, weil ich jung war und wusste, so bleibt es nicht für immer.“
Sein Fleiß und Durchhaltevermögen zahlen sich aus: Alexander beendet sein Studium, Korntex stellt weitere Kolleg:innen ein und kann sogar die Finanzkrise Ende der 2000er-Jahre überstehen. „So nah an der Weltfinanzkrise zu gründen, war sicherlich nicht der einfachste Zeitpunkt. Aber ich habe die Dinge einfach ausgeblendet und weitergemacht. Diese Erfahrungen haben mir bei späteren Herausforderungen geholfen, zum Beispiel während Corona“, so Alexander.
Zuverlässige Lieferungen und der Tragekomfort der Warnschutzkleidung überzeugen. Es kommen Großaufträge von Porsche, Volkswagen oder der Motorradstaffel der Bundespolizei hinzu. Was Kund:innen an Korntex schätzen? „Unsere Qualität und Innovation. Die Warnweste ist in erster Linie ein Sicherheitsprodukt mit vielen Normen, die wir erfüllen müssen. Wir möchten aber, dass Menschen unsere Produkte gerne und mit Stolz tragen, und nicht nur, weil es Vorschrift oder Zwang ist.“
Wir möchten aber, dass Menschen unsere Produkte gerne und mit Stolz tragen, und nicht nur, weil es Vorschrift oder Zwang ist.“ – Alexander Jurack
Heute steht das Geschäftsmodell von Korntex auf einer sicheren Basis loyaler Stammkund:innen im In- und Ausland bei inzwischen mehr als 25 Millionen verkaufter Warnwesten. Auch neue Produktinnovationen wie individuell designte Warnwesten für Kinder und Tiere sind populär geworden. Wo liegen die Vorteile, in einer Nische zu gründen? „Ich habe mich als Unternehmer in der Warnwesten- Nische immer gut aufgehoben gefühlt. Nischen sind spannend, weil der Markteinstieg vergleichsweise einfach ist, aus familiären Strukturen besteht und man sich schnell ein gutes Netzwerk aufbaut“, beschreibt es Alexander. Man muss nicht immer ein hippes Tech-Start-up in Berlin oder München gründen, um unternehmerisch erfolgreich zu sein.