Lebende, grüne Wände gegen urbane Überhitzung: Hans und Jonathan Müller verbinden klassischen Gartenbau mit Architektur. Und schaffen so die Stadt der Zukunft.
Sehr wahrscheinlich tragen auch Gärtner:innen der Zukunft Strohhut samt Latzhose und halten eine Harke in den sonnengegerbten Händen. Wer weiß. Ziemlich sicher aber werden sie für ihren Job digitale Endgeräte nutzen. Sagt Hans Müller, Gärtnermeister aus Kornwestheim: „Die Gärtner der Zukunft sind Wachstumsmanager“, ist sich der Inhaber eines Garten- und Landschaftsbaubetriebs sicher. Warum? Sie werden sich mit digitalem Handwerkszeug um die grüne Stadt der Zukunft kümmern – so jedenfalls die Vision von Müller und seinem Sohn Jonathan.
Derzeit leben mehr als 70 Prozent der Bevölkerung Europas in Städten – und sind dort unmittelbar mit den fatalen Folgen des Klimawandels konfrontiert: „Überhitzung, Feinstaub, Starkregen“, zählt Jonathan Müller auf. „Unsere Städte sind dafür ganz und gar nicht gerüstet.“ Als Architekt befasse er sich seit Jahren mit der Frage: „Wie können wir Städte lebenswerter machen und auf den Klimawandel vorbereiten?“ Seine Antwort: „Indem wir unsere Städte radikal begrünen, selbst an den unmöglichsten Stellen. Bei allem, was gebaut wird, muss grüne Architektur von Anfang an mitgedacht werden.“
Pflanzen an Fassaden und an Wänden aller Art, auf Dächern und natürlich in Parks können Feinstaub reduzieren, Hitze mildern und für ein angenehmes Stadtklima sorgen. Wer einmal von einer asphaltierten Straße aus der brütend heißen Sonne in einen schattigen Park getreten ist, kennt den Unterschied. Pflanzen binden überdies CO2, produzieren Sauerstoff und können – als Teil einer sogenannten Schwammstadt – überschüssiges Wasser wieder verdunsten und so ihre Umgebung kühlen. „Immer mehr Flächen werden versiegelt. Also geben wir den Pflanzen vertikalen Raum“, erklärt Hans Müller das Konzept. Bloß: Das funktioniert nicht von allein. Einfach anpflanzen und wachsen lassen? Würde kaum klappen. Grün braucht Planung, Hege und Pflege.
Seit fünf Jahren arbeitet das Vater-Sohn-Gespann intensiv an der Thematik. Im gemeinsamen Unternehmen Helix-Pflanzensysteme planen, installieren und betreuen sie komplette vertikale Begrünungssysteme. Allein die richtige Bewässerung ist ein Fach für sich: „Wir müssen intelligent Regenwasser nutzen. Würden wir wertvolles Trinkwasser nehmen, wäre das alles andere als nachhaltig.“ Digitale Tools, ausgefeilte Sensortechnik und Softwarelösungen, um das alles miteinander zu vernetzen, halte solche Pflanzensysteme dauerhaft am Laufen. „Wir haben unseren Traum verwirklicht und verbinden die gärtnerische Expertise meines Vaters mit meiner Erfahrung als Architekt“, sagt Jonathan: „Vor ein paar Jahren waren wir damit noch ziemliche Exoten.“ Heute können sie sich vor Anfragen kaum retten.