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Zwei Männer sitzen auf einem Sofa und sind von Pflanzen umgeben - Beitragsbild von Lexware Tell Your Story

Scheitern um zu lernen.

OMG, LOL, WTF – so würde Waldemar Zeiler das Leben als Selbstständiger beschreiben, wenn er nur drei Worte hätte. Waldemar ist erfahrener Gründer und weiß, was es heißt, mit Rückschlägen umzugehen. Sieben seiner bisher acht Gründungen sind „gefloppt“. Sein achtes Unternehmen einhorn ist dafür umso erfolgreicher und zugleich Vorbildunternehmen für viele andere. Im Interview hat Waldemar verraten, wer seine Vorbilder sind, welche Headline ihn aus der Bahn geworfen hat und wie Wirtschaften im Einklang mit dem Planeten gelingen kann.

Portrait von Waldemar Zeiler - Beitragsbild von Lexware Tell Your Story

Die Angst vor dem Scheitern ist für viele ein Gründungshemmnis. Du hast dich selbst schon einmal als „Fan des Scheiterns“ bezeichnet. Warum ist die Angst vorm Hinfallen unberechtigt?

Waldemar: Sie ist schon berechtigt. Hinfallen kann weh tun. Allerdings überwiegen meistens die Vorteile der Lerneffekte dadurch. Man stelle sich vor, ein Baby würde nicht mehr versuchen zu laufen, weil es zu viel Angst hätte vor dem Fallen. Das macht keinen Sinn. Oder Erfinder:innen würden nicht tausende Experimente machen, aus Angst, dass die meisten Versuche scheitern, denn das ist die Regel. Ich glaube, wir müssen uns um die Angst in der Gesellschaft kümmern und da konnte ich von meinem Sohn lernen als Kleinkind.

Verkehrte Welt: der Sohn lehrt den Vater?

Wenn er auf dem Spielplatz hinfiel oder vor etwas Angst hatte, dann haben wir uns in den Arm genommen, lange gedrückt und ich habe ihn getröstet. Und nach einiger Zeit wurde es ruhiger und die Angst wich und die Lust auf das Spielplatzabenteuer überwog. Mit dem Wissen: Papa oder Mama sind da und ich kann jederzeit hin. In der Arbeitswelt gibt es eine solche Sicherheit und Fehlerkultur selten. Da befürchten wir eher Strafen als Trost. Daran können wir als Gesellschaft arbeiten.

Bild von Waldemar Zeiler im sitzen
Ich glaube, wir müssen uns um die Angst in der Gesellschaft kümmern.
Waldemar Zeiler

Wie gehst du mit Rückschlägen um? Ein Beispiel: Über dich und euer Unternehmen wurde schon viel und vielfältig berichtet. Anders war es in einem Bericht in der Zeit 2019. Wie war das für dich?  

Waldemar: Am 21.11.2019 gab es einen Artikel in der Zeit mit der Headline “Sie wollen die Weltrettung verkaufen”. Ich wurde total überrascht bzw. eher überrollt von dem Tenor in diesem Artikel. Ich war der festen Überzeugung, dass es ein extrem wohlwollender Artikel sein wird, denn das war meine bisherige erfolgsverwöhnte Erfahrung mit den Medien. Wie auch in den Jahren zuvor im Umgang mit der Presse, hatte ich mich dem Journalisten komplett geöffnet und Zugang zu allen Facetten meines damaligen Herzensprojekts “12062020Olympia gegeben.

Als ich damals den Artikel zum ersten Mal las, fühlte ich einen Mix aus tiefer Enttäuschung, Wut, Scham und konnte es einfach nicht glauben, welches kritische Narrativ gewählt wurde. Es fühlte sich für mich an, als wäre ich von einem engen Freund betrogen worden. Heute weiß ich, dass wir damals eine unsichtbare Grenze überschritten hatten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Denn was wir mit dieser Idee vorhatten, passte nicht wie üblich in den Wirtschaftsteil, sondern eher in den Politikteil und hier weht ein ganz anderer Wind.

Wie blickst du heute darauf?

Waldemar: Spannenderweise habe ich den Artikel gerade seit langem wieder gelesen und finde ihn eigentlich ok. Es ist eine nachvollziehbare Perspektive, um auf dieses Projekt zu schauen aber damals war es mir unmöglich das als eine Meinung von vielen zu sehen und es nicht persönlich zu nehmen. Das war eine sehr schmerzvolle, aber auch lehrreiche Zeit. Sie lehrte mich vor allem, meine Projekte und meinen Purpose weniger von äußeren Meinungen beeinflussen zu lassen, und zwar weder von positiven noch von negativen.

Dein erstes Unternehmen hast du direkt nach dem Abitur gestartet. Wann war der Moment als klar war, du möchtest dich selbständig machen?

Waldemar: Das war sogar während des Abiturs in der 12. Klasse des Wirtschaftsgymnasiums der Constantin-Vanotti Schule in Überlingen. Ich schreibe das so ausführlich, in der Hoffnung, dass sich die Verantwortlichen der Schule bei mir melden und mehr Gründer:innen an Schulen eingeladen werden, als Inspiration auch für andere Schulen. Mir hat diese Inspiration total gefehlt in meiner Schulzeit, da ich selbst aus keinem Umfeld kam, in dem Unternehmer:innentum bekannt war. Ganz im Gegenteil, ich wuchs in der kommunistischen Sowjetunion auf.

Jetzt bist du Gründer in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem. Wo hast du Vorbilder für dich gefunden – kamen die aus deinem familiären Umfeld?

Waldemar: Nein bzw. ein bisschen. Meine Tante heiratete einen deutschen Mann, der eine Werbeagentur führte und er war der Einzige aus meinem familiären Umfeld, der mir im richtigen Moment, nämlich als ich meine Geschäftsidee in der 12. Klasse hatte, sagte ich solle es doch einfach mal probieren. Gründe eine GbR, mach ein Logo, denk dir einen Slogan und dein Angebot aus, mach einen Flyer und los gehts. Außerdem bat er seine Hilfe an, all das während eines Praktikums in seiner Werbeagentur zu machen. Ohne diesen Stupser und die Ermutigung zum richtigen Zeitpunkt, wäre es vielleicht ganz anders gelaufen. Sowas sollte aber nicht von einem Zufall abhängen. Wie geil wäre es, wenn wir das in unserem Bildungssystem fest verankern würden und unseren Schüler:innen so einen Schubs geben könnten unabhängig von ihrem familiären Umfeld, ihrer Herkunft, sozialem Status usw.?

Ohne diesen Stupser und die Ermutigung zum richtigen Zeitpunkt, wäre es vielleicht ganz anders gelaufen.

Das Unternehmen einhorn führt ihr in Verantwortungseigentum. Warum habt ihr euch dafür entschieden?

Waldemar: Mich überwältigte die Last der Verantwortung früher sehr. Deswegen bin ich auch so ein großer Befürworter von Verantwortungseigentum in Kombination mit Selbstorganisation geworden. Unsere Welt ist viel zu schnell und komplex geworden, dass eine oder einige wenige Personen die Verantwortung für eine ganze Organisation tragen können. Gemeinsam gelingt dies viel besser und bei Erfolg sollten dann auch die Früchte der Arbeit fair verteilt werden.

Unsere Welt ist viel zu schnell und komplex geworden, dass eine oder einige wenige Personen die Verantwortung für eine ganze Organisation tragen können.

Was macht für dich denn dann beruflichen Erfolg aus? Was ist für dich gutes und nachhaltiges Unternehmertum?

Ein guter Maßstab ist für mich die Donut Ökonomie von Kate Raworth. Solange Unternehmer:innen innerhalb des Donuts wirtschaften, also weder planetare Grenzen sprengen noch soziale Grenzen unterschreiten, ist alles in Butter. Was den Erfolg angeht, unterscheide ich nicht mehr wie früher zwischen privat und beruflich. Schließlich gehört beides zu meinem Leben. Und in beiden werte ich es als Erfolg, wenn ich möglichst präsent sein kann und mich lebendig fühle. Den Moment voll fühle und erlebe, egal ob es gerade gut oder schlecht läuft.

Hier geht’s zu Waldemars Unternehmen: EINHORN.MY

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© Foto Credits:
Anne Hufnagl | Verena Brandt

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