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Zwei Frauen sitzen vor einer Backsteinmauer auf Stühlen und lachen - Beitragsbild von Lexware Tell Your Story

„Mompreneur“: Mutter und selbstständig sein

Julia Wadehn ist Gründerin von des Energie-Startups Novo. Als Mutter und Gründerin hat sie gleich mehrere „Babys“, für die sie leidenschaftlich verantwortlich ist. Im Interview erzählt sie, wie sie als Mompreneurin ihren Traum lebt und sich auch von Herausforderungen nicht aufhalten lässt.

Portrait von Julia - Beitragsbild von Lexware Tell Your Story

Julia, wolltest du schon immer gründen?

Julia: Ich komme aus der norddeutschen Provinz und war schon als Kind begeistert von allem Kreativen. Als Beamtenkind hatte ich allerdings keinerlei Bezug zu Unternehmertum und Selbständigkeit. Im Studium wollten dann alle einen Job in einem großen Unternehmen bekommen. Und so habe auch ich erstmal eine Konzernkarriere gemacht.

Wie kam es dann, dass du heute als Gründerin dein eigenes Business führst?

Julia: Eher zufällig bin ich dann in Berlin gelandet und merkte: Hier könnte ich meine Berufserfah-rung mit der Kreativität verbinden. Ich habe mich dann allen Unkenrufen zum Trotz getraut, die Sicherheit des Konzerns zu verlassen und wurde COO und Gesellschafterin im Travel-Startup PaulCamper. Das war genial. Ich habe gelernt, wie man ein kleines Unternehmen groß macht, hatte viel Verantwortung und Freiraum. Irgendwann merkte ich dann: Ich will und kann ein eigenes Unternehmen bauen. Ein Motivator war der Wunsch, ein wichtiges Problem zu lösen. Mit der Dekarbonisierung von Wohnhäusern arbeiten wir an einem der relevantesten Themen unserer Zeit. Das fühlt sich bedeutsam an. Außerdem wollte ich ein Team aus Top-Leuten versammeln. Mit meiner Mitgründerin Mona habe ich die perfekte Partnerin dafür gefunden.

Portrait von Julia
Irgendwann merkte ich dann: Ich will und kann ein eigenes Unternehmen bauen.
Julia Wadehn

Was liebst du an der Selbstständigkeit?

Julia: Etwas zu bauen, das die Menschen wirklich brauchen. Als Unternehmerin habe ich maximalen Einfluss und maximale Entscheidungsfreiheit. Ich kann mich zu 100 Prozent nach den Bedürfnissen unserer Kunden und Kundinnen richten und muss dafür nicht die Erlaubnis einer Führungskraft einholen. Das empfinde ich als Privileg.

Außerdem gefällt mir die Selbstbestimmtheit. Ich sitze quasi am Steuer meines Lebens: Wenn ich mich gut fühle, habe ich das gemacht. Wenn ich mich schlecht fühle, habe ich das auch gemacht und komme aus eigener Kraft wieder da raus. Es ist toll, mein Leben so eigenverantwortlich gestalten zu können.

Du wurdest während einer Fundraising-Phase schwanger und auch die Partnerin deiner Mitgründerin erwartete Nachwuchs. Ihr hattet die Befürchtung, von Investoren abgeschrieben zu werden. Kurz hast du überlegt, deine Schwangerschaft zu verheimlichen, hast es aber nicht getan – war das für dich eine schwierige Entscheidung?

Julia: Dass unser erster Investor die Nachricht von unseren Familiengründungen einfach schulterzuckend aufgenommen hat, war ein sehr wichtiges Signal für mich. Ich fühlte mich erkannt in meinem Drive und meiner Fähigkeit, novo.eco zu bauen. Leider ist so eine Haltung immer noch die absolute Ausnahme. Wir sind dann in die Vorbereitung einer größeren Finanzierungsrunde gegangen. Doch da riet man uns, lieber zu warten, bis die Kinder auf der Welt sind. Weil wir erst einmal zeigen sollten, dass wir auch wirklich mit voller Kraft weitermachen. Meine Mitgründerin Mona war gar nicht selbst schwanger, sondern ihre Frau. Die Statistik zeigt leider, dass mit wir diese abwartenden Haltung nicht konfrontiert gewesen wären, wenn sie ein Mann wäre.

Was sind aus deiner Erfahrung gängige Vorurteile gegenüber Frauen, die gleichzeitig eine Familie und ein Business gründen?

Julia: Dieser Fall ist bei Startups so selten, dass es dafür gar keine Schablone gibt. Es wird also einfach angenommen, dass wir Unternehmerinnen uns genauso verhalten wie Angestellte. Da folgt auf die Familiengründung häufig eine längere Auszeit oder die Rückkehr in Teilzeit. Uns wird oft einfach nicht zugetraut, dass wir Mütter und Unternehmerinnen sein können und wollen, genauso wie es Väter gibt, die Unternehmer sind.

Die Wahrheit ist, dass Mona und ich in den vier Wochen nach den Geburten unserer Kinder neue Services auf novo.eco freigeschaltet und unsere Umsätze enorm gesteigert haben.
Ich denke: Wir haben einfach noch nicht genug Beispiele dafür, dass Familien- und Unternehmens-gründung zusammen funktionieren. Ich setze mich deshalb dafür ein, dass wir sichtbarer werden.

Wir haben einfach noch nicht genug Beispiele dafür, dass Familien- und Unternehmensgründung zusammen funktionieren. Ich setze mich deshalb dafür ein, dass wir sichtbarer werden.

Unterschätzen wir Mütter – sind sie die besseren Gründerinnen?

Julia: Wenn eine Frau sich heute entscheidet, selbst zu gründen, dann ist das auch ohne Kind ein echter Hürdenlauf. Im Jahr 2023 gingen bisher 1.2% des Risiko-Kapitals an rein weibliche Gründerinnenteams. Wenn ich mir als Unternehmerin in diesem Klima auch noch zutraue, eine Familie zu gründen, dann habe ich mir das wirklich gut überlegt.

Startup-Gründerinnen in Deutschland sind überdurchschnittlich qualifiziert. Sie haben also immer die Alternative, sich anstellen zu lassen. Und damit wären sie auf einen Schlag versorgt: Es gäbe einfach Lohnfortzahlung und Mutterschaftsgeld, dann Elterngeld und oft eine Auszeit vom Beruf. Aber das ist nicht der Lebensentwurf von Unternehmerinnen. Gerade im Startup-Umfeld gründen Frauen ja nicht, weil sie müssen. Im Gegenteil: Überall sonst wäre es bedeutend leichter und sicherer, Kinder in die Welt zu setzen.
Also: Wenn ich auf das stärkste Pferd im Rennen setzen sollte, würde ich auf Mütter setzen. Die sind belastbar, haben Biss, Mut und genau das richtige Maß an Risikobewusstsein.  

Welche Hürden musstest du als schwangere Gründerin durchlaufen?

Julia: Ich fühlte mich wie ein Delfin, der durch diverse Ringe springen musste, um weiter Unternehmerin sein zu dürfen. Die finanzielle Herausforderung ist immens. Für das Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse musste ich eine Anwältin einschalten. Der Elterngeldantrag war so kompliziert, dass ich eine professionelle Beratungsagentur beauftragt habe. Und als mein Mann für den vierten Monat nach der Geburt eine Kinderbetreuung anfragte, wurde er gefragt, ob er sich im Datum geirrt habe. Die Politik muss es endlich ernst meinen mit der Chancengleichheit. Wir brauchen mehr Kapital für Gründerinnen an Stelle des x-ten Gründerinnenseminars. Der Mutterschutz für Selbständige muss endlich umgesetzt werden. Es ist ein Skandal, dass Deutschland das Thema trotz EU-Vorgabe seit mehr als zehn Jahren verschleppt und von allen anderen Ländern überholt wird.

Welche Vorbilder, Geschichten oder Netzwerke ermutigen dich?

Julia: Die Initiative „Mutterschutz für alle“ ist für mich sehr inspirierend. Sie zeigt mir immer wieder, dass wir viele sind und noch viel mehr sein könnten, wenn echte Chancengleichheit herrschte.

Speziell im Startup-Umfeld war es dann aber nicht einfach, die wenigen mutigen Unternehmerinnen und Mütter ausfindig zu machen, die sich von all den Hürden nicht haben abschrecken lassen. Inzwischen habe ich ein kleines, aber feines Netzwerk an Gleichgesinnten aufgebaut. Gerade rund um die Geburt war das für mich mental wichtig: Da bekam ich viele praktische Tipps und Erfahrungswerte zu Fragen der Kinderbetreuung aber auch sehr persönliche Empfehlungen rund um die Partnerschaft.

Selbstständigkeit sollte für Frauen selbstverständlich werden. Was möchtest du den Menschen mitgeben, damit wir diesem Ziel näher kommen?

Julia: Mein Plädoyer richtet sich an alle, die das Umfeld von Frauen ausmachen, also Eltern, Familienmitglieder, Lehrkräfte, Entscheider in Unternehmen, Investoren, Politiker. Macht doch mal das Gedankenexperiment euch vorzustellen, das Mädchen oder die Frau vor euch wäre ein Junge oder Mann. Welchen Unterschied bemerkt ihr in euren Erwartungen? Genau da müssen wir alle ansetzen. Lasst uns daran arbeiten, dass Frauen freie Entscheidungen fällen können. Und lasst uns gesellschaftlichen Erwartungsdruck ersetzen durch Unterstützung für Unternehmerinnen, die auch Mütter sind. Wir brauchen sie!

3 Tipps von Julia Wadehn

Wie gelingen Familien- und Unternehmerinnendasein parallel?

  • Tipp 1: Nach einem echten Partner suchen. Mein Mann ist auf bewundernswerte Weise frei von stereotypen Erwartungen an mich als Mutter. Für ihn war jederzeit klar, dass sich unsere Ansprüche und Erwartungen an berufliche Entfaltung in nichts unterscheiden und dass wir den Wunsch nach Familie deshalb zusammen möglich machen müssen.
  • Tipp 2: Know your own bias! Ich erwische mich immer wieder selbst dabei, wie ich bescheuerte Mutter-Erwartungen an mich selbst stelle. Zum Beispiel, wenn wir Gäste bekommen und das Kind immer noch im Schlafanzug ist. Meinem Mann ist das total egal, und er hat Recht damit..
  • Tipp 3: Die Freiheiten der Selbständigkeit nutzen. Wer, wenn nicht wir ist in der Situation, ohne um Erlaub-nis fragen zu müssen einen Nachmittag freizunehmen und Schlaf nachzuholen? Als meine eigene Chefin treibe ich mich eh dazu an, die Arbeit dann eben abends oder am Wochenende zu erledigen.

Mehr zu Julias Unternehmen unter: NOVO.ECO

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© Foto Credits:
Johannes Klemt

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