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Frau mit ausgebreiteten Armen vor Fluss und Wasserfall in einem Canyan - Beitragsbild von Lexware Tell Your Story

Nachhaltig­keit im Unter­nehmen umsetzen

Expertentipps von Prof. Stefan Schaltegger

Tropische Natur mit Wasserfall

Nachhaltig werden? Ist gar nicht so leicht.

Wir sprachen darüber mit Prof. Dr. Stefan Schaltegger. Kaum ein Wissenschaftler im deutschsprachigen Raum hat sich so lange und intensiv mit nachhaltigem Wirtschaften auseinandergesetzt. Der Wirtschaftswissenschaftler leitet das Centre for Sustainability Management der Leuphana Universität Lüneburg und hat dort bereits 2003 den weltweit ersten MBA Sustainability Management eingeführt.

Wann ist ein Unternehmen wirklich nachhaltig?

Stefan Schaltegger: Wie nachhaltig ein Unternehmen ist, zeigt sich daran, wie es sein Geld verdient. Oder anders gesagt: Es kommt auf das Kerngeschäft an. Nachhaltig wirtschaften heißt, sich innerhalb der planetaren Grenzen zu bewegen, die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen verfolgen und auch substanziell dazu beizutragen. Das erfordert viel Engagement und vermehrt Professionalität.

Wer es ernst meint, muss Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zusammendenken?

Stefan Schaltegger: Ja. Nachhaltig ist, wenn das Kerngeschäft wirklich keine negativen Umwelt- und Sozialwirkungen verursacht oder besser noch zur aktiven Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen beiträgt. Nicht ausreichend ist, wenn Unternehmen nur daran arbeiten, ihre negativen Wirkungen zu reduzieren, also weniger schlecht zu werden.

Was empfehlen Sie?

Stefan Schaltegger: Meine Empfehlung ist, dass man nicht nur versucht, die selbst verursachten Nachhaltigkeitsprobleme, zu reduzieren, sondern ernsthaft der Frage nachgeht: Was ist die radikalste Lösung für die Nachhaltigkeitsprobleme denen unser Geschäft ausgesetzt ist? Und zwar zunächst unabhängig von der Wirtschaftlichkeit.

Stefan Schaltegger
Weniger schlecht reicht nicht mehr.
Stefan Schaltegger

Das sagen Sie als Wirtschaftswissenschaftler?

Stefan Schaltegger: Genau. Die Nachhaltigkeitsprobleme werden sich weiter zuspitzen, wenn wir sie nicht lösen und das verursacht dann nur noch grundlegendere wirtschaftliche Probleme. Im nächsten Schritt muss es darum gehen: Wie können wir diese radikalen Lösungen wirtschaftlich machen? Wenn erst einmal attraktive nachhaltige Lösungen geschaffen wurden, werden diese die bisherigen nicht nachhaltigen Produkte, Dienstleistungen und Organisationen verdrängen.

Einfach wie immer weitermachen und den Klimawandel ignorieren?

Stefan Schaltegger: Ist keine gute Idee. Wer business as usual macht, gerät vermehrt unter Druck und wird in vielen Fällen in substanzielle Probleme kommen. Die Energiekrise zeigt, wie schnell das gehen kann. Und andererseits ist klar: Es gibt immer Akteure auf dem Markt, die anders denken, bisherige Geschäftsmodelle radikal überdenken und transformieren. Das bringt die „Weitermacher“ in Probleme. Nachhaltigkeit ist komplex, vielschichtig und oft liegen wirklich gute Lösungen nicht auf der Hand. Aber ab dem Moment, wenn marktreife, überzeugende Lösungen gebracht werden, geraten alle, die das nicht tun, unter Druck. Was nicht vergessen werden darf: ein Unternehmen erhält ja auch Vorteile, die nicht direkt finanziell, aber dennoch ökonomisch wirksam sind: eine bessere Reputation zum Beispiel.

Haben Sie ein Beispiel – etwa in Bezug auf einen kleinen, traditionellen Handwerksbetrieb?

Stefan Schaltegger: Ein Dachdecker etwa kann weiterhin Dächer decken wie bisher. Oder er fragt sich: Was muss das Dach der Zukunft können und welches Know-how brauche ich, um das anbieten zu können? Photovoltaikdächer, die Häuser zu Kraftwerken machen, sind jetzt gefragter denn je. Die Dachdecker, die sich das Know-how zugelegt haben, können sich jetzt vor Aufträgen nicht retten. Dahinter steckt genau dieses Grundprinzip: Dass man sich überlegt, was ist die radikalste Lösung für meine Branche, welche Zukunftslösungen werden – vielleicht heute schon – gebraucht?

Das setzt voraus, dass man die richtigen Entscheidungen trifft. Wie können kleinere Unternehmen das Richtige tun?

Stefan Schaltegger: Indem sie Know-how einholen und sich beraten lassen: Bei Umwelt- und Sozialverbänden ist sehr viel Sachverstand gebündelt, auch Universitäten oder Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind gute Adressen. Dann gibt es natürlich auch Vorbilder in der eigenen Branche, Pioniere, die schon sehr weit gedacht haben. Man kann auch schauen: Wer hat den deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie KMU gewonnen in den letzten Jahren? Gibt es jemanden aus meiner Branche? Kann ich gute Ideen adaptieren oder für meine Bedürfnisse weiterentwickeln?

Einen ganz klaren Fahrplan aufstellen und den dann nach und nach umsetzen.

Welche Strategien können sich KMU von Konzernen abschauen?

Stefan Schaltegger: Ziele definieren und dann abarbeiten. Konzerne haben natürlich aufgrund ihrer Größe viel mehr Möglichkeiten, eine Nachhaltigkeitstransformation anzupacken – also die Umwandlung einer Organisation inklusive aller Produkte und Lieferketten in Richtung Nachhaltigkeit. Ein spannendes Beispiel ist der Energieanbieter Örsted. Das Unternehmen war 2006 noch fossil. Erdgas, Kohlekraft. Die haben sich das Ziel gesetzt: 100 Prozent regenerativ bis 2025 und als Ausgangslage fast 100 Prozent fossil. Heute liegen sie bei über 90 Prozent regenerativer Energien. Die haben einen ganz klaren Fahrplan und nach und nach umgesetzt. Ein radikaler und beeindruckender Wandel.

Glaubwürdigkeit spielt eine zentrale Rolle – was sollte ein Unternehmen nicht tun?

Stefan Schaltegger: Ein Unternehmen ist nur dann glaubwürdig, wenn es konsequent ist und deutlich wird, dass man trotz aller Rückschläge substanzielle, reale Verbesserungen sucht und erreicht. Glaubwürdigkeit, kann nur über einen langen Zeitraum aufgebaut werden durch fundamentale Taten. Das ist kein schneller Gewinn, sondern etwas, woran man mit langem Atem arbeiten muss.

Reputation kann ganz schnell verloren gehen, wenn man Fehler macht.

Stefan Schaltegger: Deshalb tun Unternehmen gut daran, konsequent weniger zu versprechen, aber mehr zu leisten, als man versprochen hat. Und das kontinuierlich über einen längeren Zeitraum. Das Gegenteil von Greenwashing also. Kundinnen und Kunden spielen eine große Rolle, sind aber häufig nicht ausreichend informiert. Hier haben Unternehmen Möglichkeiten, über Labels, Kooperationen, Co-Labeling und so weiter in der Kommunikation Glaubwürdigkeit aufzubauen. Es ist ja im Marketing üblich, zu übertreiben. Aber beim Thema Nachhaltigkeit ist das keine gute Idee. Denn da wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt.

Wie können Unternehmen die Digitalisierung für mehr Klimaneutralität arbeiten lassen?

Stefan Schaltegger: Produktionsprozesse, Abläufe in Unternehmen, die Kommunikation – all das lässt durch Digitalisierung so optimieren, dass Emissionen wirksam eingespart werden. Aber die Digitalisierung an sich ist ein technologischer Prozess, der weder gut noch böse, sondern ein gutes Mittel ist, um Ziele zu erreichen. Es braucht aber immer Menschen, die eine bewusste Entscheidung treffen: Nachhaltigkeit ist ein ambitioniertes Ziel, auf das sich immer mehr Unternehmen willentlich mit langem Atem zubewegen.

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