
Peter Gaymann ist seit 1976 selbständiger Cartoonist. Was trägt seinen Erfolg über bald fünf Jahrzehnte? Uns hat er erzählt, was er auch Nachwuchskünstler:innen rät, wenn sie ihn treffen oder anrufen und um Rat fragen. So klingt Erfahrungswissen aus erster Hand.

Wie die meisten Kinder, habe auch ich als Kind sehr viel gezeichnet. Meine Familie nahm das wahr, förderte mich aber nicht. Vorbilder gab es auch keine. Als junger Erwachsener traute ich mich nicht auf die Kunstakademie. Ich zog mein Sozialpädagogik-Studium durch, lernte Jugend- und Bildungsarbeit. Nebenher aber zeichnete ich immer weiter. Freiburger Motive, die Berge, die Landschaften – noch nichts Humoristisches.
Mir war schon immer klar: Ich will was Kreatives machen. Als das Studium beendet war, sagte ich mir bewusst: ‘Jetzt oder nie: Entweder du gehst jetzt in ‘nen Vollzeitjob oder du gibst dir die Chance, Künstler zu werden’. Natürlich steht da immer die Frage: Kann man von Kunst leben oder nicht? Ich dachte ‘Egal, ich probiere es jetzt mal!’ Nebenher verdiente ich Geld. Ich fuhr Taxi und gab Kurse in Bildungseinrichtungen: Malen, Werken, Töpfern, Holzverarbeitung – dafür hatte ich ja Kenntnisse aus meinem Studium.
Ich gebe auch heute noch Zeichenkurse an Kunstakademien. Dort lerne ich viele Menschen kennen, auch in meinem Alter. Sie wollten eigentlich Künstler werden, erzählen einige, entschieden sich dann aber für einen „sicheren, normalen Beruf”. Nach 40 Jahren als Lehrer oder Richter, sagen sie: „Jetzt bin ich wieder frei. Jetzt werde ich wieder anfangen zu zeichnen." Sie hatten viele Jahre Angst, Künstler zu werden und klammerten sich an eine Absicherung. Diese Angst hatten meine Freunde und Familie um mich. Es gab große Befürchtungen, man riet mir von meinem Weg ab. Aber ich selbst? Ich hatte nie Angst um mich.

Mein Ziel war nie, reich und berühmt zu werden, sondern von meiner Kunst leben zu können. Ich wollte mir die Miete für meine kleine Wohnung leisten und zwei Wochen Urlaub im Jahr machen. ‘Man kann es ja mal probieren, ist ja nicht so schlimm’, dachte ich mir. ‘Mal schauen, was geht’. Ich gab mir aber eine bestimmte Zeit: zwei Jahre. Und dann war es nie so schlecht, dass ich je ans Aufhören dachte. Es ging dann doch immer einen Schritt weiter.
Ich bin ein Morgenmaler. Ich lese die Zeitung, trinke Kaffee und dann male ich. Jeden Morgen. Schon immer. Auch ohne Auftrag, ohne Sponsoren. Das tägliche Zeichnen war eine gute Schule und wurde zur Grundlage für meinen Erfolg. Ich hatte in meiner kleinen Wohnung mit meiner damaligen Freundin, dann Frau, eine kleine Ecke, mein Atelier, wo ich gezeichnet habe. Aber das allein reicht noch nicht: Wenn du einen freien Beruf wählst – ohne Netz, das dich auffängt – und wenn du vorhast, möglichst lange von deiner Kunst zu leben, dann musst du sie verkaufen. Ich wollte das nicht nur ein paar Monate lang machen: Ich wollte es möglichst lange. Das war ein Ziel. Es sollte auch deines sein.
Lange bevor ich bekannt wurde, ging ich nachmittags immer wieder in die Buchhandlungen und blätterte in den Cartoon-Büchern großer Kollegen wie Tomi Ungerer und Sempé. ‘Wie machen die anderen das denn? Wie gehen die da ran? Wie bauen die eine Szene auf oder eine Figur? Was inspiriert mich da? Was würde ich gern machen? In welche Richtung?’ Ich wurde Autodidakt. Ich machte ein Selbststudium und schaute mir auch keine Lehrbücher an, um „richtig” zu zeichnen oder zu aquarellieren. Ich probierte selbst, denn ich hatte die Schnauze voll von Lehrern, Noten und davon, wie bestimmte Aufgaben zu erfüllen waren. Deswegen ist man vielleicht auch selbstständig: Ich reagiere sofort rebellisch auf Lehrerhaftes. So entwickelte ich meinen eigenen Strich und meinen eigenen Stil.


Ich habe meine Werke immer meinem Umfeld gezeigt und mir Feedback geholt. Wenn die Leute über meinen Humor lachten, befand ich mich nicht mehr völlig im luftleeren Raum. Das Zeigen und auch das Bewertenlassen der eigenen Arbeit ist extrem wichtig. Bleib nicht nur in deiner eigenen Blase.
Werde aktiv! Ich habe meine Cartoons auf Postkarten gedruckt und sie Läden persönlich angeboten. Ich bin auf Buchmessen und Ausstellungen gegangen, habe Magazine und Redaktionen angeschrieben. Teils habe ich ihnen meine Mappe auch vor Ort gezeigt und sie gebeten, meine Cartoons zu veröffentlichen. Das hat sehr viel gebracht. So wurde auch ein Verlag auf mich aufmerksam.
Du darfst nicht nur hoffen, dass jemand dich entdeckt. Geh raus und knüpfe immer wieder neue Kontakte. Kommunikation ist ein wichtiger Schlüssel. Vernissagen, Messen oder Ausstellungen sind immer eine Chance, neue Leute kennenzulernen. Wer sich verschließt und nur im Atelier arbeitet, hat es schwer, voranzukommen. Geh auf Veranstaltungen, engagiere dich, sprich mit anderen.
Meine Hühner-Cartoons mögen mich bekannt gemacht haben, dennoch mache ich weiterhin auch immer das, was mir Spaß bringt. Manchmal male ich einfach nur schöne Landschaften, ohne Druck oder Kommerz. Das hält die Motivation aufrecht. Heute, mit 75, mache ich Live-Kabaretts zu den Vernissagen meiner Ausstellungen. Ich arbeite dann mit Comedians zusammen und gehe auf Bühnen. Ruh dich nicht aus, bleib neugierig. Ich übe mich auch in Gedichten und bediene digitale Medien – nicht perfekt, aber ich mache so viel es geht selbst. So bleibe ich wach und flexibel.

Wandel gehört zum Erfolgsrezept: Beschränke dich nicht nur auf einen Stil. Wage Neues! Nutze alle Medien, alle Formate – mach es vielseitig! Meine Postkarten verkauften sich mal millionenfach, dann immer weniger. Also Illustrierte ich Bücher, ich gab eigene heraus – dieses Jahr sind es fünf, mehr geht nicht – ich machte auch Plakate für Werbeagenturen, Kalender und Serien für Zeitschriften. Je nach Medium habe ich thematisch passend für die Zielgruppe gearbeitet. Für die Brigitte waren es 30 Jahre lang exklusive Pärchen-Cartoons, für andere Medien Tier-Cartoons. So entstand Vielfalt und ich blieb spannend.
Du muss nicht alles allein machen: Suche dir Partner! Ich hatte zeitweise einen Verleger, dessen Mitarbeiter mir half, Aufträge zu akquirieren. Wenn du das Verkaufen nicht so gut beherrschst, schließe dich mit Menschen zusammen, die das können und fokussiere dich auf deine Kunst.
Humor ist nicht nur zum Lachen da, Humor ist eine Überlebensstrategie. Er macht auch Schweres erträglicher. Er hilft, sich Luft zu verschaffen. Mit Humor kannst du relativieren und entspannen. Er bewahrt dich davor, in die Opfer- oder Leidensrolle abzugleiten, wenn es nicht läuft. In meinen Werken habe ich Menschen über Selbst-/Ironie und Humor verbunden, statt zu urteilen. Das, glaube ich, macht meine Arbeit auch menschlich, nahbar. Und zuletzt erfolgreich.
Mehr zu Peter Gaymann findest du auf seiner Webseite: www.gaymann.de
Fotocredits: Florian Roser
Text: Despina Borelidis